Ein bunter Herbstspaziergang

Anna-Maria Lang, Schülerin der letzten Maturaklasse gewann bei einem Wettbewerb und gibt uns einen Eindruck ihrer Schreibkunst.


Wie kann ich meinen Spaziergang mit Farben schmücken?

Taktisch kluge Fruchtträger, dachte ich. Kastanienbäume wogen sanft in der Luft, im Einklang zum Takt der Musik, die melodisch im Hintergrund schwebte. Ganz im Gegensatz zu mir – die eine Viertelnote von einer Pause nur theoretisch unterscheiden und sich selbst stolz als rhythmisches Desaster bezeichnen konnte.

Wie eine sorgfältig einstudierte Choreografie schwenkten die blassgrünen und gelb-orangenen Blätter, verrenkten ihre zarten Körper als hätte ihnen der Wind Leben eingehaucht. Als wollten sie eine Geschichte erzählen.

Die Geschichte der Erinnerungen

Ich ließ den Blick ringsum schweifen. Steinig und erdig, weich und ausgetreten erstreckte sich der Pfad, bis er sich in der Weite mit den bunten Farben der Herbstromantik vermischte. Die klare Luft, der rauschende Wind und der Duft nach Holz, Erde und Neubeginn. Das Rascheln der Blätter, als ich Schritt für Schritt meinen Weg fortsetzte.

All das weckte Erinnerungen in mir:

Kürbisschnitzen.

Hoch erhobenen und stolzen Prinzessinenhauptes, verkleidet in dunkelster Nacht Süßigkeiten mit einem Zauberspruch an Haustüren ernten.

Den Tanz der Kerzenflamme warm – in eine flauschige Decke eingekuschelt – beobachten.

Wie die wohlige Hitze des flüssigen Wunders in meiner Lieblingstasse meinen ganzen Körper durchströmte.

Unbeschwertes Lachen.

Zauberhaft ließen die Blätter manche warmen Sonnenstrahlen ihre goldgelbe, feuerrote und sattorangene Gemeinschaft durchdringen. Und damit schien auch Licht auf eine andere Erinnerung – eine Erkenntnis. Ein Herbstspaziergang kann kalt, grau, nass und unerträglich sein. Aber man kann ihn auch mit Farben schmücken: Wahrnehmung, Romantisierung, Bewunderung, Beobachtung, Wertschätzung, Dankbarkeit.

Ich nenne diese Farben auch Interpretationsspielraum einer Erfahrung. Denn es liegt in meiner Hand. Möchte ich gemeinsam mit dem schneidend kalten Wind Trübsal blasen? Oder möchte ich die Erfahrung nutzen, um einen klaren Kopf und neue Energie zu erlangen? Möchte ich meinen Gedankenspiralen nachgehen bis mir schwindelig wird, oder eine farbenfrohere Ausfahrt in diesem gedanklichen Kreisverkehr nehmen?

Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen hing ich meinen Erinnerungen an freudig aufgeregte Zuckerrauschmomente im Kreis meiner Blutsauger– und Besenreiterfreunde nach, und entschied mich meinen Herbstspaziergang zu schmücken: die bunte Vielfalt der Landschaft, die wohlig warmen Schals und kuscheligen Mäntel wahrzunehmen, bewundern und wertzuschätzen.

von Anna-Maria Lang

Schlagwörter: